Die Grundfrage, die wir uns stellen, ist: Intersektionalen Queerfeminismus auf dem Land leben, wie? Wir haben schon verschiedene Themenfelder aufgemacht; einiges ausprobiert und improvisiert. Wir gehen praktisch vor. Bauen aufeinander auf. Finden gemeinsam raus, lachen und weinen viel und freuen uns über Besuch. Teil der Antwort sind oft Nachbar*innen, die uns sehr ans Herz gewachsen sind.
Wir arbeiten daran, als Projektgruppe nach und nach zu wachsen und gemeinschaftlich mehr Wohn- und Projektraum zu schaffen. Wir hoffen auch auf weitere Kollektive und Verbündete, die mit uns Dinge erkunden, entwickeln und ausbauen können. Dabei möchten wir vor allem feministische, gemeinschaftspflegende und nachhaltige Zusammenhänge organisieren. Falls ihr was mit unserer Haltung anfangen könnt und euch vor Ort daran beteiligen wollt, schreibt gerne an collab(a)hausdeswandels(.)org
Die Währung, auf die wir diesen Ort bauen, lässt sich nicht in Güter verwandeln, um die sich Kapitalist*innen streiten oder für die Sozialist*innen 5-Jahres-Pläne konzipieren. Wir verhandeln viel; verschenken aber, anstatt zu verkaufen. Wir tauschen aus: Ideen, Unterstützung, Inspiration, Zugänge... Alles entwickelt sich nach den Bedarfen, Bedürfnissen und Möglichkeiten der sich beteiligenden Menschen. Die Dinge, die wir entwickeln und manifestieren, sind das Ergebnis gemeinschaftlicher Zusammenhänge.
Für diese brauchen wir eine Vielzahl an Blickwinkeln, Geschichten und Funktionen; um immer wieder neu verhandeln zu können. Sozusagen eine Haltung, die auch die Grundlage unserer Netzwerke ist.
Unser Interesse liegt darin einen Ort zu schaffen, der auf Binaritäten, Ausgrenzung und Hierarchien verzichtet. Sowohl für die Organisation und Entwicklung als auch für die Gemeinschaft, die ihn belebt.
Wir sind eine Gruppe von 16 Erwachsenen (zwischen 28 und 45 Jahren, FLINTA und queer dominiert, größtenteils studiert, größtenteils in Arbeiter*innenfamilien - manche urban und manche ländlich - sozialisiert), 5 Kids und 3 Katzen. 10 der Erwachsenen haben ihren Lebensmittelpunkt in Heinersdorf, im Haus des Wandels. Die Hälfte greift auf Migrationserfahrungen zurück.
FEMINISTISCHE BEZIEHUNGEN
QUEERE BANDEN // Wir glauben an tragende Netzwerke zwischen Menschen, die keine Kleinfamilien sind. Verschiedene Menschen im Haus leben in verschiedenen Beziehungskonstellationen. Miteinander leben ist eine Haltung.
GASTFREUNDSCHAFT // Wir sind kein Gästehaus. Wir wollen mit euch Raum beleben und keinen Übernachtungsservice betreiben.
UTOPISCHE GASTFREUNDSCHAFT // Als »offenes Haus« für viele, interessiert es uns, Dynamiken, die auftauchen zu erforschen und zu hinterfragen. Wir wollen herausfinden, wie wir gleichzeitig als Dorfplatz* und post-lokal (Orte an verschiedenen Stellen der Welt miteinander verbindend) funktionieren können. Uns geht es um Selbstorganisation, den Aufbau von Infrastruktur und Vertrauen: im Haus, in der lokalen Umgebung und in unseren Netzwerken.
BRAVE SPACE/SAFER SPACE // Ein Sicherer Raum entsteht zwischen den Menschen, die ihn beleben und aus der achtsamen und respektvollen Verhandlung ihrer Interessen. Achtsamkeit ist eine Haltung und Ausrichtung, die emotionale, körperliche und weitere Grenzen der Anderen respektiert, sie versteht und die eigene Rolle und die eigenen Privilegien reflektiert. Wir wollen, dass sich hier an diesem Ort so viele Menschen wie möglich wohlfühlen. Lernen und Fehler machen haben hier Platz, Sexismus, Rassismus, Ableismus, Body Shaming, Homo- und Transphobie und alle weiteren Formen von Diskriminierungen nicht.
INTERSEKTIONALE ANALYSEN
CO-KREATION // Wenn wir zusammenlegen, können wir uns Dinge ausmalen auf die keine*r von uns alleine kommen würde. Alle kleineren und größeren Projekte sind auf irgendeine Art und Weise miteinander verbunden. Achte auf dich, deinen Handlungsraum und darauf wie es dir geht, frag nach Unterstützung.
INTERSEKTIONALITÄT // Diskriminierung und Privilegien gibt es auf vielen Ebenen. Viele sind miteinander verwoben. Was haben Geschlechterverhältnisse mit Kolonialismus zu tun? Oder queere Identität mit Gesundheitsvorsorge? Antifaschismus mit Kompost? Intersektionales Bewusstsein ist Grundpfeiler dieses Projekts und liegt uns am Herzen. Wir erwarten, dass du offen für dieses Thema und die Auseinandersetzung damit bist und bereit bist, dein Verhalten zureflektieren.
KÜNSTLERISCHE STRATEGIEN
DRAG // In Arbeitsprozessen nimmt jede Person eine Funktion ein, so als würde sie sich verkleiden, eine Rolle spielen. Wir betrachten Funktionen als zeitlich begrenzt und verwechseln sie nicht mit konkreten Menschen. Eins kann die Funktion erfüllen, sich verkleiden und diese Verkleidung dann auch wieder ablegen. In eine Funktion zu gehen, bedeutet, die Dinge aus der Perspektive dieser Funktion wahrzunehmen und von dort aus zu handeln. »Regisseur*in« z.B. ist eine Funktion, weniger eine Person. Es ist eine Art, zu sehen, zu analysieren, Dingen Bedeutung zu geben und eine Situation zu gestalten.
UTOPIE // wir nutzen das Sprungbrett Heterotopie.
KUNST // kennt selbst keine Wahrheit. Sie schafft Wirklichkeit, die nicht bewiesen oder überprüft, sondern lediglich geteilt und verhandelt werden kann. Sie bildet sozial- revolutionäre Sphären aus und ist Interface komplexer, kultureller Operationen.
NEUGIER // Ein tolles Werkzeug, um deine Umgebung kennenzulernen. Es geht weniger darum, fünf Millionen Fragen zu stellen und mehr darum, fünf Millionen Spaziergänge zu machen – du wirst jedes mal ein neues Abenteuer erleben. Während du Schubladen öffnest, Dinge findest, die verloren gingen, wirst du einen Eindruck davon bekommen, was es bedeutet, für diesen Ort da zu sein. Du wirst dich wohler und sicherer fühlen.
SCHEITERN // ist essenzieller Teil davon.
STRUKTURELL NACHHALTIGE INFRASTRUKTUR
CARE // (im Sinne von Sorgen für oder Kümmern um) ist für uns ein wunderschönes Sammelsurium widerständiger Philosophien und Aufmerksamkeit fördernder Kulturtechniken. Sich zu kümmern erhält Leben. Care gibt uns Werkzeuge unsere Gemeinschaft zu denken, zu fühlen und zu organisieren an die Hand. Diese Werkzeuge statten uns mit privaten, politischen und ästhetischen Möglichkeiten aus, die Welt mitzugestalten und erlauben uns, nicht in Konzepte wie starre Regeln, Hierarchien, Trennungen oder Ausschließlichkeit drängen zu lassen.
ALTERNATIVE ÖKONOMIEN // Wir halten nicht viel von der herkömmlichen Art und Weise, wie Wirtschaft organisiert ist. Wir versuchen immer wieder gemeinsam herauszufinden, wie unsere Bedürfnisse bezüglich Ressourcen sind. Wir versuchen, bedürfnisorientiert zu wirtschaften. Wir lernen beim Gehen.
LERNEN // Wir lernen täglich. Jede macht Fehler. Wir werden unseren eigenen Ansprüchen oft nicht gerecht. Das hindert uns nicht, Ansprüche zu haben, denn sie zeigen uns die Richtung, in die wir uns bewegen wollen.
NACHHALTIGKEIT // ist eine Aufgabe, an der wir arbeiten. Wir versuchen, so viele Dinge im Haus wie möglich zu reparieren, wiederzuverwenden und bevorzugen es, mit gebrauchten Materialien zu arbeiten, wenn möglich. Ein integraler Bestandteil der längeren Nutzung von Dingen ist die Pflege. Es gibt keinen Planeten B.
RADIKALE SELBSTSORGE // heißt nicht, sich aus der Verantwortung zu stehlen, Dinge oder Situationen zu ignorieren, unsere Gefühle nicht zu fühlen. Sie ist strukturelle Arbeit. Dieses Haus ist ein altes Haus mit endlosen Situationen und Dingen, die nach Aufmerksamkeit und Sorge rufen. Es lehrt uns, dass wir nicht alles immer sofort ganz oder mal eben schnell machen können. Wir haben alle nur begrenzte Ressourcen, und hängen von einander ab. Wir versuchen gemeinschaftlich Arbeitspensum und Selbstsorge unter einen Hut und in Balance zu bekommen. Bitte hinterlasst den bleibenden Menschen bei eurer Abreise nicht mehr Arbeit. Während ihr hier seid, werdet ihr Teil dessen, was es uns ermöglicht, hier zu sein. Diesen Ort kann es ohne kollektive Anstrengung nicht geben.
VERHANDLUNG // ist für uns die Grundlage von Gemeinschaft. Wir versuchen Prozesse so zu gestalten, dass sie inklusiv sind. Manchmal stolpern wir dabei über unsere eigenen Kapazitäten. Im Austausch miteinander versuchen wir, Hierarchien und andere problematische Tendenzen zu bearbeiten und zu transformieren.
ANTIAUTORITÄRE ORGANISATIONSFORMEN
ANARCHIE // ist für uns ein Netzwerk an Ideen und Aktionen, die Verbundenheit schaffen. Wir glauben nicht an Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle, die ihre eigenen Grundlagen zerstören. Wir üben uns in kollektiver, libertärer, feministischer Selbstorganisation und sehen uns darin verbunden mit anderen Menschen, die das anderswo und anderswann auch tun. Wir arbeiten mit am Archiv der Lebensweisen, die ein gutes Leben für alle Menschen versuchen wollen.
COMMONS // Dieser Ort ist Gemeinschaftseigentum. Das bedeutet nicht, dass das Haus jedem beliebigen Menschen gehört, sondern dass es den Menschen gemeinsam gehört, die das Haus pflegen und sich um es kümmern. Dieser Ort soll von vielen gestaltet und gehalten werden, mit jeder Person, die kommt oder geht wird die ganze Situation verändert und neu angeschaut. Als Gemeinschaft vor Ort wollen wir unser Zusammensein verbindend, zugänglich und resilient gegenüber jeder Form von totalitärem Hass aufstellen. Das heißt auch, unsere Energie nicht an Dinge oder Situationen zu verschwenden, die uns nur leer und ausgebrannt hinterlassen.
BEUTEL // Das hier ist eine Beutelgeschichte, keine Heldengeschichte. Deshalb gibt es viele Wiederholungen, Schleifen, kleinschrittige Veränderungen. Das ist ok.
TEMPORÄRE AUTONOME ZONEN // sind für uns die aktiv genutzten Orte im Haus. Die Sache an autonomen Zonen ist, dass das, was sie am Leben hält, die Sorgearbeit der sie belebenden Menschen ist. In diesem Sinne stellen wir keine Ressourcen bereit, die einfach konsumiert/genutzt/verbraucht werden können, sondern teilen Ressourcen und gehen davon aus, dass diese verantwortlich und kontextbewusst genutzt und organisiert werden. Das heißt, dass alle ihren Weg finden, respektvoll und nachhaltig mit den bereits existierenden Dingen umzugehen und sich an ihrem Erhalt und Ausbau beteiligen.
Mehr dazu findet ihr in unserem Care Book.